retard tour

Das Frühstücksbuffet habe ich ganz für mich alleine – irgendwie gespenstisch, aber ich genieße die Ruhe. Vollgefressen sehe ich mich ein bisschen in Hoyerswerda um, merke aber früh dass es gar nicht allzu viel zu sehen gibt und gehe dann ein bisschen einkaufen. Zwischenzeitlich hat mir Herr S. aus Berlin geschrieben, was ich denn im Osten täte und dass er morgen nach München fährt um sich ein Auto anzusehen. Da könnte ich ja mit. Also fahre ich nach Bad Freienwalde östlich von Berlin, sehe mir die Messihalle des Herrn S. an, mit dem Auto gibt es eine kurze Stadtführung und dann fahren wir gemeinsam nach Berlin. Dort angekommen herrscht Verkehrschaos, weil die Coronaschwurbler eine Autodemo abhalten. Ich bin ja ein entschiedener Gegner der Coronamaßnahmen, aber müssen diese Querlenker mir nun sprichwörtlich im Weg stehen? Es nervt.

In Friedrichshain holen wir uns eine handvoll Pizzen, quatschen in die Nacht hinein und dann geht es ins Bett um noch vor Sonnenaufgang die Autos zu besteigen. Wir fahren mit zwei Autos im Konvoi bis nach Hof und lassen dort meine Karre zurück, schippern nun zusammen mit dem Diesel-Meriva nach Landshut und sind pünktlich beim Händler. Probefahrt, Anschauen, Verhandeln und kaufen – alles erledigt und kein Problem, so genau nimmt es auch hier in Söderistan keiner mit den Verboten. Das Auto nehmen wir aber nicht mit, Herr S. holt es dann in Kürze und wir fahren nun nach Dorfen zu Herrn Whatabus. Es gibt leckeres Essen und dann müssen wir auch leider schon wieder los, denn uns stehen noch einige Kilometer bevor. Wir gondeln durch Landshut und nach vielen Stunden stehen wir in Hof bei meinem Auto. Herr S. düst nun weiter nach Berlin und ich kehre um in Richtung Süden – in ein paar Stunden bin ich dann auch zuhause und falle sicher ermüdet in mein Bett.

bramborska

Jetzt schaue ich mir Cottbus an, parke an der Oberkirche und streife zu Fuß durch die Stadt. Ich latsche durch die Fußgängerzone, werfe einen Blick auf den Spremberger Turm und sehe mir die Wilhelmsmühle und das Elektrizitätswerk an. Auch den Schlossberg erklimme ich und habe dann nach einigen Kilometern genug. Cottbus schaut gar nicht mal so übel aus, nur fehlt es mir gewaltig ein Bierchen zu trinken, durch Museen und Läden zu streifen oder einfach mal etwas zu Essen.

Zurück am Auto fahre ich in Richtung Sachsen, mache eine Pause in Groß Oßnig um mir die tolle Dorfkirche anzusehen. Der schlichte, aus dem 15. Jahrhundert stammende Rechteckbau brannte im 2. Weltkrieg aus und wurde anschließend vereinfacht wiederaufgebaut. Statt des ursprünglich barocken Turmes, wurde ein freistehender Glockenturm errichtet.

Einige Kilometer weiter habe ich Sachsen erreicht, mache wieder eine ausgiebige Pause und spaziere am Ufer des Spreetaler Sees. Heute ist es mit 13 Grad schon beinahe frühlingshaft und trotzdem freue ich mich nun auf eine warme Dusche und ein gemütliches Bett. Freudentaumelnd erreiche ich mein Hotel und stelle mit Begeisterung fest, dass ich weder jetzt noch vorab bei Reservierung nach meinem Grund für die Übernachtung gefragt werde und nehme mir fest vor, mich persönlich bei Herrn Karl Lauterbach dafür zu entschuldigen.

unbehagen brandenburg

Am Supermarkt angekommen suche ich die Toilette auf, dort brüllen sich zwei Männer an und streiten in breiten Dialekt über Mindestabstand. Handgemenge. Den ganzen Tag sind mir noch keine Menschen begegnet und jetzt bekomme ich direkt die volle Breitseite ab. An der Kasse im Ladengeschäft stelle ich mein Red Bull aufs Band und das ältere Paar hinter mir frägt mich völlig entgeistert, wo der Vodka dazu sei und dass sie ihn am liebsten mit Jägermeister trinken. Ich wünsche einem schönen Tag und suche das Weite, doch am Parkplatz neben mir verlädt gerade ein Mann seine Einkäufe und schafft es in drei Minuten zwei Bier herunter zu kippen, ehe er davonbraust. Ich fange an mich zu fragen, ob ganz Brandenburg mittlerweile seinen Verstand verloren hat.

Nun fahre ich in den Osten von Cottbus und sehe mir den ehemaligen Tagebau an. Hier wurde rund 40 Jahre lang Braunkohle gefördert und seit 5 Jahren arbeitet man an der Nachfolgenutzung. Ich habe damals von den Plänen gelesen und hatte mir nicht vorstellen können, dass dieses Vorhaben möglich sein soll. Nun kann ich mich eines Besseren belehren lassen – oder auch nicht. Am Rande von Merzdorf wurde ein Aussichtsturm errichtet, von dem man einen eindrucksvollen Blick auf die klaffende Wunde hat. Der Turm ist zwar momentan wegen Wetter, Pandemie oder sonstwas gesperrt, die Absperrung ist aber locker flockig zu überwinden. Erneut bin ich völlig baff, von hier oben sieht das direkt eine Spur bedrohlicher aus und scheinbar habe ich Recht behalten.

Das unvorstellbar große Loch soll geflutet werden und bei Fertigstellung ist es dann Deutschlands größter künstlicher See. Die Ufer sind soweit schon angelegt, der Boden zum Teil verdichtet und das Wasser soll stoßweise von der Spree stammen. Bisher kann ich außer ein paar Pfützen kein Wasser erkennen und auch sonst scheint aus den großen Plänen noch nichts geworden zu sein. Ich kann es mir auch nach wie vor nicht vorstellen, aber vielleicht komme ich in fünf Jahren wieder und staune nicht schlecht.

failed state lausitz

In der tiefen Nacht sitze ich im Auto, habe den Tempomat angeworfen und fahre gen Nordost. Nach vielen Stunden verlasse ich die Autobahn, gurke nach Welzow und starte den Morgen mit einem betrüblichen Blick auf den Braunkohletagebau Welzow. Hier schaufeln sich riesige Bagger seit 60 Jahren in die Erde hinein und werden es vermutlich auch noch die nächsten Jahrzehnte tun, während ich halbwegs sprachlos davorstehe und denke, dass es hierfür doch vernünftige Alternativen geben muss. Die gibt es mit Sicherheit und natürlich wäre es zu einfach gedacht, das hier mit sofortiger Wirkung zu beenden – ich überlasse das dann lieber Leuten mit Fachkenntnissen und fahre halbwegs verwirrt von dannen.

Ich fahre durch sämtliche Dörfer der Lausitz, starre unentwegt auf verlassene Häuser, Fabriken und ganze aufgegebene Straßenzüge. Um mir nach der vielen Fahrerei und dem, ähm, Kulturschock in Welzow die Beine zu vertreten, mache ich Halt in der Nähe von Cottbus am Barockschloss Branitz. Jetzt im Matschewinter ist der weitläufige Park nicht unbedingt allzu sehenswert, das Schloss nebst Marstall und den historischen Gewächshäusern dafür umso mehr. Der gesamte Gutshof ist öffentlich zugänglich und die Gebäude können zu großen Teilen auch besichtigt werden, sofern nicht gerade ein dümmlicher Lockdown einen daran hindert.

Nun habe ich genug der frischen Luft, könnte ein wenig Essen vertragen und muss ohnehin mal zur Toilette. Also befehle ich dem Navi, mich zum nächsten Supermarkt zu geleiten.